Lexikon

Aus: Rock in Deutschland auf CD-ROM

Novalis

Fred Mühlböck
Gesang, Gitarre (25.4.1953), Detlev Job Gitarre (17.4.1954), Lutz Rahn Keyboards (10.11.1951), Heinz Fröhling Bass (7.5.1951, Oldenburg), Hartwig Biereichel Schlagzeug, Percussion (2.5.1950)

Im Spätherbst 1971 gaben der Bassist Heino Schünzel (seinerzeit aktives Mitglied der Band Marquis) und der Sänger Jürgen Wenzel eine Kleinanzeige im HAMBURGER ABENDBLATT auf: "Schlagzeuger und Organist für neue Rockband gesucht". Es meldeten sich der Organist Lutz Rahn (der in der Jazz-Rock-Gruppe Capricorn spielte) und der Schlagzeuger Hartwig Biereichel (bis 1970 bei Greenlight).

Dieses Quartett gab sein erstes Konzert in der Hamburger "Fabrik" als Vorgruppe der deutschen Rockband Cravinkel. Ihr Klangkonzept "romantische Rockmusik" wurde zunächst mit Pink Floyd- und King Crimson-Werken verglichen. Ohne elektronische Gitarre (!) produzierte die Band im Januar 1973 das Debütalbum "Banished Bridge" mit der Variation eines klassischen Themas und schwerblütiger Orgel-Rockmusik. Dazu schrieb der Sänger Jürgen Wenzel versponnen-lyrische Zeilen in englischer Sprache. Im Oktober/November 1973 ging die Band zusammen mit Emergency und Jane auf eine schlecht besuchte Promotion-Reise durch Europa.

Zum Jahresende verstärkten sich Novalis durch den Gitarristen Detlev Job, der vordem bei der Gruppe Ashby Erfahrungen sammeln konnte. Novalis gehörten auch zu jenen Gruppen, die auf Einladung von Franz K. auf einem Freikonzert am 21.7.1974 in Witten spielten.

Im September 1974 entließ die Band nach unüberwindlichen Meinungsverschiedenheiten den Sänger Jürgen Wenzel und integrierte dafür den Multi-Instrumentalisten Carlo Karges, der (bis Mitte 1971) zu Tomorrow's Gift gehörte.

Bereits auf der zweiten Langspielplatte "Novalis" fand die Band Gefallen an den Versen ihres Namengebers ('Novalis' ist der "Künstlername" des frühromantischen Dichters Diedrich Freiherr von Hardenberg, der von 1772 - 1801 lebte) und benutzte ausschließlich deutsche Textzeilen. Nach der LP-Produktion verließ Carlo Karges die Band. Er tauchte später bei Nena wieder auf.

"Musik für Träumer, für Leute, die sich nicht zu schade sind zu schwärmen, sich aus dem grauen Alltag in eine märchenhafte, farbenprächtige Welt entführen zu lassen" (SOESTER ANZEIGER) ist auf der dritten Langspielplatte "Sommerabend" zu finden, die im Februar 1976 entstand und der Gruppe zu bundesweiter Anerkennung und erheblichen Verkaufszahlen verhalf.

Im Juni 1976 rückte die Band mit den Worten "Uns fehlt ein guter Sänger, der ruhig noch ein Instrument spielen könnte. Wir möchten jemand, der bereit ist, sich in eine feste Gruppe einzufügen und Lust hat, deutsche Texte zu singen" eine Anzeige in das FACHBLATT ein. Daraufhin wurde der Österreicher Fred Mühlböck als fünftes Gruppenmitglied integriert. Mühlböck war in seiner Heimat Mitglied verschiedener Hardrock-Gruppen, bis er 1973 nach Lübeck kam. Hier versuchte er sich in diversen Bands und als Folklore-Solist. Während der Saison 75/76 wurde er von den Lübecker Kammerspielen engagiert und spielte im "Jahrmarktsfest zu Blundersweilen" Musiker des 18. Jahrhunderts.

Auf dem ersten Brain-Festival (am 26.2.1977 in Essen) waren Novalis "mit deutsch gesungenen Titeln, romantisch-träumerischer Musik, die alles andere als langweilig ist, ein Lichtblick im deutschen Rockgeschehen" (BRAVO).

Novalis, die sich "zu einer Top-Band gemausert haben" (POP), ließen mehrere Konzerte zwischen Januar und April 1977 auf einer Revox-Maschine mitschneiden und stellten daraus das Live-Album "Konzerte" zusammen. Am 21.10.1977 war die Band in "Szene 77" zu sehen.

Noch vor Jahresabschluß erschien mit dem Titel "Brandung" die fünfte Langspielplatte, die "solistische und kompositorische Glanzlichter erkennen läßt" (RECORD WORLD).

Novalis waren auf dem zweiten Brain-Festival (25./26.2.78) "der einzige echte Höhepunkt des ersten Tages, der Jubelstürme im Auditorium auslöste" (POP) und startete anschließend zur ersten zusammenhängenden Deutschlandtournee mit 35 Konzertterminen, wobei alle "die sich von ihrer 'naturlyrischen Musik' anstecken lassen, voll auf ihre Kosten kamen" (WESER KURIER).

Am 31.3.78 traten Novalis neben den Puhdys, Jutta Weinhold, Snowball und Udo Lindenberg in der "Rocknacht des ZDF" auf. Die Band ist ein Musterbeispiel für den systematischen und zukunftsträchtigen Aufbau einer Rockgruppe. Erst zum 1. April 1978 gaben die Band-Mitglieder ihre Berufe auf. Bis dahin arbeitete Fred Mühlböck als Plattenverkäufer, Lutz Rahn als Speditionskaufmann, Detlef Job als Fernmeldetechniker, Heino Schünzel als Werbekaufmann und Hartwig Biereichel als Brain-Labelmanager. Am 3. Juli 1978 gaben Novalis (wie im Vorjahr) vor 4.000 Besuchern im Hamburger Stadtpark ein exzellentes Open Air-Konzert.

Mit 300.000 verkauften Alben gehörte Novalis zu den erfolgreichsten deutschen Rockbands und fand auch - mit 50.000 verkauften Alben - in Japan nach den Scorpions von allen deutschen Gruppen die größte Beachtung. Auf einer umfangreichen Herbsttournee 1978 stellte die Band ihr neues Album "Vielleicht bist Du ein Clown?" vor, das vor allem etwas enthält: "Hammond-Töne von Keith Emerson, Gitarrenphrasen von Wishbone Ash und Sphärenklänge wie bei Yes - aber keine Neuigkeiten oder gar Überraschungen" (NEW MUSICAL EXPRESS).

Zur gleichen Zeit begab sich Lutz Rahn auf einen "Solo-Trip" (LP-Titel) mit einem Album, das sowohl Elemente klassischer Klaviermusik, Orgel-Schleifen und elektronische Klangwanderungen enthält. "Ein halbherziger Spaziergang durch das Effekt-Repertoire diverser Tasteninstrumente" (SOUNDS).

Vor der 79er Frühjahrstournee, die Novalis durch die großen deutschen Konzerthallen führte, stellte sich die Band in der Jugendsendung "Sparring" vor (24.3.). Mit dem "Flossenengel" (LP-Titel) gingen Novalis im Herbst 1979 auf eine 40 Städte-Tournee und gastierten (am 13.10.) in "Rockpop". Das Album, wie gewohnt mit "melodischen Songs und ausgewogener Klangkulisse" (POP) ausgestattet, ist dem Fisch "Atlanto" im besonderen und den bedrohten Walen im allgemeinen gewidmet. Die Gruppe unterstrich die Ernsthaftigkeit ihres Anliegens damit, daß sie eine Mark von jeder Eintrittskarte als Spende abzweigte. So kam die Gruppe zu konstant guten Plattenumsätzen und bei Live-Auftritten zu "einer herzlichen Kommunikation mit dem Publikum" (HAMBURGER ABENDBLATT).

"Die erfolgreichste deutschsprachige Romantik-Rock-Band" (WESTFALEN-BLATT) blieb auch mit "Augenblicke" ihrem Konzept treu. Nicht alle waren dabei von ihrer "Schwadenlyrik" (MUSIK EXPRESS) angetan. Ende 1980 verabschiedete sich der Bassist Heino Schünzel. Für ihn wurde Heinz Fröhling (vordem im Trio Schicke, Führs, Fröhling) als "assoziiertes Mitglied" integriert.

Neue Akzente setzte u. a. Heinz Fröhling auf dem 1982 erschienenen "Neumond"-Album, das ungeschliffenes ("Frühsport im Sachsenwald") neben dynamisch-kompaktem und vertraut-romantischem enthält, Im Apri / Mai 1982 ging das Quintett - nach zehnjährigem Bestehen - auf "Jubiläumstournee". Danach war die Gruppe erst im Herbst 1983 mit einem Programm aus der LP "Sterntaucher" wieder auf der Bühne.


BANISHED BRIDGE (1973)
NOVALIS (1975) Brain 1070
SOMMERABEND (1976) Brain 1087
BRANDUNG (1977) Brain 60.094
KONZERTE (1977)
VIELLEICHT BIST DU EIN CLOWN? (1978) Brain 60.164
FLOSSENENGEL (1979) Ahorn 69.108
AUGENBLICKE (1980) Ahorn 69.109
NEUMOND (1982)
STERNENTAUCHER (1983)
Lutz Rahn:
SOLO TRIP (1978)
Sampler:
VISIONEN Metronome 811.535
WER SCHMETTERLINGE LACHEN HÖRT Brain 60.219
SONNENWENDE Brain 40.173

Aus: Rock in Deutschland auf CD-ROM